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Vom Flüchtenden zum Feuerwehrmann | STATIONEN | BR

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In der Uniform sind alle gleich: Bildungsgrad, Herkunft oder Religion spielen keine Rolle bei der Freiwilligen Feuerwehr in Höhenkirchen. Was zählt, ist die Gewissheit, sich auf den anderen verlassen zu können. Das erlebt auch Ariya Akbari so.

Ariya Akbari ist so einer, für den alle hier ihre Hand ins Feuer legen. Der 22-jährige Elektriker-Lehrling ist schon seit fünf Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr, einer überwiegend jungen Truppe aus 73 aktiven Feuerwehrfrauen und –männern. Heute steht für Ariya und seine Kameradinnen und Kameraden eine Einsatzprobe an – zum ersten Mal wieder seit 2020. Während der Corona-Pandemie waren Treffen nur virtuell möglich. Doch jetzt wird wieder ganz real geübt. "Jeder ist unter Adrenalin", sagt Kommandant Christoph Pötter, "solche Einsatzproben schweißen unheimlich zusammen. Ich kann über jeden hier sagen, dass ich ihm zu 100 Prozent vertraue."

Gefährliche Situationen, in denen es um Leben und Tod gehen kann, in denen man ohne Hilfe aufgeschmissen wäre, die kennt Ariya aus eigener Erfahrung. 2015 floh er mit seiner aus Afghanistan stammenden Familie nach Deutschland. Zuvor waren seine Eltern bereits vor dem Krieg in Afghanistan in den Iran geflohen. Dort ist Ariya auch geboren. Als Kind von Ausländern durfte er im Iran nicht zur Schule gehen, arbeitete bereits als kleiner Junge mit für den Unterhalt der Familie. Für die Arbeit auf dem Bau wurden er und seine Brüder schlecht bezahlt, oftmals gar nicht. Als sein Vater starb, wollte seine Mutter die Ausbeutung ihrer Kinder nicht mehr hinnehmen. Die Flucht nach Europa war ihre Hoffnung. 2015 war das, Ariya war damals 15.

Als die Familie gemeinsam mit anderen Flüchtlingen nachts die Grenze in die Türkei überqueren will, schießen iranische Soldaten auf die Menschen. "Ich bin einfach nur noch gerannt, immer weiter", erzählt Ariya. In dem Chaos verliert er seine Familie. Aber andere Flüchtlinge helfen ihm. "Eine Familie hat gesehen, dass ich alleine war. Sie haben sich um mich gekümmert, mir Mut gemacht, mit ihnen weiter zu gehen." Ariya schafft es in die Türkei, arbeitet dort für einige Monate im Küstenort Izmir, um etwas Geld zu verdienen und seine Flucht fortsetzen zu können. Gemeinsam mit anderen Geflüchteten kauft er ein Boot. Ihr Ziel ist die griechische Insel Lesbos. Auf See erlebt der Jugendliche dramatische Szenen: "Ich habe gesehen, wie ein Boot voller Menschen vor uns einfach umgekippt ist. Zum Glück konnten sich alle retten."

Auch Ariya schafft es nach Europa: vom Flüchtlingscamp Moria über Athen, Nordmazedonien und die weitere Balkanroute bis nach Deutschland. Dort trifft er nach Monaten einen seiner Brüder wieder. Inzwischen ist auch seine Mutter nachgekommen. Seit sechs Jahen lebt Ariya im oberbayerischen Höhenkirchen bei München. Seit 2017 engagiert er sich dort in der Freiwilligen Feuerwehr und hat vor allem dadurch das Gefühl, wirklich angekommen zu sein. "Ich habe neue Freunde gefunden. Mir wurde von Anfang an vermittelt: 'Wir sind hier wie eine große Familie. Und Du gehörst jetzt dazu.'"

Gemeinschaft, füreinander da sein, sich helfen – dass das mitunter überlebenswichtig ist, hat Ariya auf seiner Flucht erfahren. Dafür sei er dankbar, sagt er und will etwas zurückgeben, von der Hilfe, die er bekommen hat – auch in Höhenkirchen bei der Freiwilligen Feuerwehr. Denn anfangs hatte er es nicht leicht in Deutschland, auch wenn er schnell Arbeit fand. Hauptfeuerwehrmann Christian Lippert unterstützte ihn: "Ariya hatte am Anfang mit einem Ausbilder Probleme, weil der ihn aufgrund seines Migrationshintergrundes ausgenutzt hat. Ich habe ihm eine neue Ausbildungsstätte gesucht." Mit seiner Fluchterfahrung bereichere Ariya die Truppe, sagt Christian Lippert. "Er will mithelfen, so haben wir ihn von Anfang an kennengelernt."

Autoren: Antje Dechert/ Markus Kaiser

Aus der TV-Sendung vom 04.05.2022

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Gesundheit
Suchwörter
Afghanistan, Ehrenamt, Feuerwehr
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